Entwicklung der Hochschuldidaktischen Fortbildung an der Universität im Jahr 1996

Sondermittel des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst zur Verbesserung der Lehre und zur Verkürzung der Studienzeiten in Höhe von DM 36.800,- wurden von der Abteilung Wissenschaftliche Weiterbildung, Wissenstransfer verwendet, um praxisgerechte Trainingsseminare und workshops für Mitglieder der Universität zu organisieren. Ziel dabei ist, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Tübingen bei ihrer persönlichen Optimierung von Lehre zu unterstützen und anzuregen.

Gegenüber den Vorjahren konnten dank höherer Zuweisungen wesentlich mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine hochschuldidaktische Fortbildung erhalten: insgesamt elf verschiedene Veranstaltungen mit ganz unterschiedlichem Niveau und differenzierter Thematik waren möglich.

Das Grundkonzept dieser Fortbildung zielt dabei auf die Gewinnung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren und auf 'Hilfe zur Selbsthilfe'; es hat sich sehr gut bewährt: Im vergangenen Jahr konnten so erstmals Veranstaltungen mit Seminarleiter/innen konzipiert werden, die ihre Basisfortbildung in den eigenen Kursen der 'Werkstatt Lehren und Lernen' erhalten hatten und ihre inzwischen (auch anderweitig erworbene) Erfahrung und Kompetenz anderen Kolleginnen und Kollegen in eigenen Fortbildungsseminaren zur Verfügung stellten. Neben Didaktikfachleuten kümmern sich damit Fachwissenschaftler/innen verschiedenster Disziplinen nun um eine Nutzbarmachung und Umsetzung didaktischer und methodischer Erkenntnisse in die akademische Lehre. Dabei entstehen besonders praxisorientierte Lösungen, die zur Nachahmung geradezu auffordern. Weitere derartige Vorhaben sind für dieses Jahr bereits geplant. Sicherlich ist es kein Zufall, daß solche Multiplikatoren, also gut fortgebildete und entsprechend motivierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den verschiedensten Fächern auch eine Vorreiterrolle übernommen haben bei Anstrengungen der Universität im Bereich der Lehrevaluation.

Ein Blick auf die durchgeführten Veranstaltungen zeigt, wie weit die systematische Aufbauarbeit für die Unterrichtsoptimierung an der Universität Tübingen inzwischen vorangekommen ist. Im einzelnen haben im Jahr 1996 stattgefunden:

Systematische Aufbauarbeit muß dort beginnen, wo zukünftige Hochschullehrer ihre ersten Lehrerfahrungen sammeln: bei den Tutoren. Zwei Tutoren-Werkstätten haben im vergangenen Jahr wieder Grundwissen und Basiskompetenzen für Tutoren vermittelt. Diese Programme finden bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern selbst, aber vor allem auch bei den entsendenden Hochschullehrern begeisterte Zustimmung. Die sorgfältige Evaluation dieser Seminare hat eindrucksvoll das von Prof. Dr. G. Klinzing am Zentrum für Neue Lernverfahren entwickelte Konzept zur Ausbildung von methodischen und kommunikativen Fertigkeiten für Tutoren bestätigt. Im Mittelpunkt stehen dabei geeignete Instrumentarien und Verhaltensweisen für zwei zentrale Aufgabenbereiche der Tutoren: die Kompensation von Lerndefiziten sowie Vertiefung und Reflexion von Vorlesungsinhalten in Form von Instruktion und Tutoriengesprächen. Im Anschluß an das Seminar wird durch Interviews der entsendenden Hochschullehrer und durch mindestens eine Coaching-Sitzung für jeden Teilnehmer die Umsetzung der Seminarinhalte in die praktische Tutorenarbeit durch den Seminarleiter überprüft und unterstützt. Wie alle Werkstatt-Seminare ist auch die Tutoren-Werkstatt auf kooperatives Weiterarbeiten der Absolventen untereinander während ihrer praktischen Tätigkeit als Tutor ausgerichtet.

Grundwissen, Grundverständnis und Sensibilisierung für Chancen und Möglichkeiten im akademischen Unterricht stehen im Mittelpunkt der Basis-Seminare unserer Werkstatt-Reihe. Zum achten Mal hatten Lehrende hier die Möglichkeit, gemeinsam in einer Lerngruppe mit Gleichgesinnten ihr didaktisches Repertoire zu erweitern, erste Schritte zu einem systematischen 'Lernen des Lehrens' zu tun, eigene Stärken und Schwächen zu reflektieren und neue didaktische Möglichkeiten kennenzulernen und zu erproben. Zentrale Gesichtspunkte im Basis-Seminar sind:

  1. die Diagnose von Problemen des Lehrens und Lernens in der Universität
  2. Lernen in Gruppen
  3. Training des Lehrverhaltens
  4. Planung und Evaluation von Lehrveranstaltungen.

Das Anliegen, aus den Basis-Seminaren heraus Gruppen zu bilden, die eigenständig gemeinsam weiter arbeiten und als Multiplikatoren und Anreger auf Institutsebene wirken, wird gestützt durch Aufbau-Seminare für Absolventen früherer Werkstatt-Seminare, die eigenständig weiterarbeiten. Im Mittelpunkt steht die Vertiefung in ausgewählten, von den Teilnehmern selbst vorgeschlagenen Themenkomplexen. Damit kann an den individuellen Arbeitsstand und die praxisbedingte Interessenlage in den Lerngruppen angeschlossen werden; hier besteht aber auch Gelegenheit zum Austausch mit Fachleuten wie mit Gleichgesinnten. Im Zentrum der Aufbau-Seminare 1996 stand das Thema "Wissenschaftlich Schreiben im Studium".

Ergänzend konnte eine Palette themenorientierter Spezial-Seminare angeboten werden, so beispielsweise eine Medien-Werkstatt zum Thema "Wissenschaft verständlich gemacht", in der unter Beteiligung von Medienwissenschaftlern und erfahrenen Rundfunk- und Fernsehjournalisten die praktische Umsetzung wissenschaftlicher Anliegen in allgemeinverständliche Präsentationen geübt wurde. Dahinter stand die Überlegung, daß die trainierte Fähigkeit zum Perspektivwechsel - Vorbedingung für erfolgreicher 'Transfer' von Wissenschaft in die Medien - auch direkt positive Auswirkungen auf die Lehre hat.

Eine Rhetorik-Werkstatt machte mit Aspekten wie 'Sprechen in der Gruppe', 'Redeplanung', 'Präsentation in Lehrsituationen', 'Kommunikationsstile und rhetorische Mittel', 'Umgang mit Medien' Rhetorik und Präsentation als Werkzeuge für den akademischen Unterricht nutzbar. Die überaus große Nachfrage nach diesem Angebot zeigt, daß weitere verwandte Themen sinnvollerweise auch für dieses Jahr eingeplant werden sollten.

Ein Workshop Evaluation nutzte die Gelegenheit, mit Prof. Gary Borich einen international anerkannten und besonders erfahrenen Evaluierungs-Spezialisten und Gutachter zahlreicher externer Evaluationen in USA und Europa aus Anlaß eines Gast-Aufenthalts als Gesprächspartner zu gewinnen. Auf die Koinzidenz der Aufgeschlossenheit für persönliche Unterrichtsoptimierung wie für Lehrevaluation wurde bereits hingewiesen; die dort vorgestellten Informationen zum praktischen Vorgehen bei der Evaluation von Universitätseinrichtungen und zum Instrumentarium (beispielsweise zu student ratings) aus der Sicht der Evaluatoren und des Methoden-Experten konnten verschiedene Institute und Fakultäten der Universität bereits bei laufenden eigenen Vorhaben berücksichtigen. Die interne Diskussion zu Projekten der Lehrevaluation hält unvermindert an: ein unlängst von der Universität veranstaltetes Symposion unter Beteiligung von Herrn Wissenschaftsminister von Trotha konnte bereits über eine ganze Reihe erfolgreicher Initiativen an der Universität auf Instituts- und Fakultätsebene berichten.

Ergebnis konsequenter Aufbauarbeit ist der Workshop 'Einführungen erfolgreich gestalten! ' Er wurde von zwei jungen Wissenschaftlerinnen unter Beteiligung der Arbeitsgruppe Hochschuldidaktik der Universität konzipiert und erstmals durchgeführt., Die beiden Seminarleiterinnen hatten ihre eigene hochschuldidaktische Qualifizierung als Absolventinnen früherer Werkstatt-Seminare erworben und sich mit Gleichgesinnten zu einem Interdisziplinären Didaktik-Arbeitskreis zusammegeschlossen. Im Zentrum dieses Werkstatt-Seminars standen Fragen wie 'was können und sollen Einführungsveranstaltungen leisten?', 'welche Methoden sind für welche Einführungsveranstaltungen geeignet?', 'wie läßt sich die zu vermittelnde Stoffülle bändigen?'. Ziel des Seminars war, den Teilnehmenden die lernpsychologischen Voraussetzungen der Studierenden in Einführungssituationen bewußt zu machen und ihre methodisch-didaktischen Kenntnisse zu vertiefen. Die Ergebnisse der Teilnehmerbefragung waren so positiv, daß der Workshop in diesem Jahr wiederholt werden wird.

Auch ein anspruchsvolles Pilotprojekt konnte im zurückliegenden Jahr erfolgreich abgeschlossen werden: Coaching für Hochschullehrer - Individuelle Verbesserung des persönlichen Unterrichts- und Vortragsstils . Dieses Angebot für Lehrende mit größerer Erfahrung setzt neben längerer Unterrichtserfahrung bereits die Vertrautheit mit dem gängigen didaktischen Repertoire voraus. Durch Einzelbetreuung und Beratung werden dabei die vorhandenen Lehrkompetenzen ausgebaut, verfeinert, gesteigert und ergänzt durch individuelle Unterstützung bei der Lehre, durch gezieltes Feedback und durch Analyse der Verwendung von spezifischen Verhaltensweisen. Dieses Instrument rundet also die Palette der Werkstatt-Seminare nach oben ab. Nicht nur die energisch, ja enthusiastisch formulierten Wünsche nach Fortsetzung von seiten der Teilnehmer, sondern auch die angelaufene, methodisch sorgfältige Evaluation der Veranstaltung zeigt nach zwei Durchgängen, daß damit ein besonders wirksames Verfahren zur Verbesserung individuellen Unterrichtsverhaltens vorliegt. Es ist nicht zuletzt aufgrund des hohen Betreuungsaufwands und der kleinen Teilnehmerzahlen das effizienteste Trainingsinstrument überhaupt, allerdings auch das aufwendigste für den Betreuten selbst.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß auch die neu entwickelten hochschuldidaktischen Angebote auf breites und weiter wachsendes Interesse und hohe Akzeptanz gestoßen sind. Die Berichte von Teilnehmerinnen und Teilnehmern zeigen durchweg, daß das Angebot als praxisgerecht und motivierend zur weiteren Beschäftigung mit Fragen der eigenen Lehrkompetenz gewertet wurde. Die gewählte methodische Form wurde ebenso wie die teilnehmerorientierte Seminarführung als stimmig, angemessen und positiv beurteilt. Die vermittelten Inhalte setzten beim tatsächlichen Bedarf an und haben die eigene Weiterarbeit offensichtlich angeregt. Sehr positiv wurde von den Absolventen häufig empfunden, daß auch an die praktische Organisation und an den Rahmen professionelle Maßstäbe angelegt wurden. Ob dies so in Zukunft, nach der Auflösung des Zentrums für Neue Lernverfahren der Universität noch gelingt, ist bisher ungeklärt. Mehrtägige Blockveranstaltungen am Wochenende und bis in den späten Abend hinein sind an der Universität immer schwerer möglich (Überstundenverbote für Hausmeister, Sicherheitsbestimmungen, Restriktionen beim Reichen von Kaffee und Imbissen, unzureichende Logistik); eigene, für Weiterbildung geeignete Räume stehen jedoch nicht zur Verfügung.

Angesichts der unverändert hohen Nachfrage und Aufgeschlossenheit gerade der jüngeren Wissenschaftlerinnen und Wissenschafter für Fragen der Unterrichtsoptimierung kann die Weiterentwicklung und kontinuierliche Fortführung der Werkstatt Lehren und Lernen an der Universität Tübingen mit Nachdruck befürwortet werden. Daß dieses Modell auch im Vergleich mit anderen Universitäten offenbar positiv abschneidet, zeigen die inzwischen erkennbaren (und von uns aktiv unterstützten) Übertragungen der Basis-Seminare auf andere Universitäten. Auch in Baden-Württemberg finden sich Initiativen, die die positiven Erfahrungen aufgreifen: in Mannheim Gründung eines Didaktik-Arbeitskreises, in Stuttgart Durchführung eines Basis-Seminars für Angehörige anderer Universitäten nach Tübinger Muster und mit den selben Dozenten, Tutoren-Trainings an der Universität Stuttgart durch die Tübinger Dozenten, Einladungen zur Vorstellung des Programms auf Fachtagungen und auf dem Hochschultag im November in Heidelberg.

Dank der Bewilligung unseres Anschlußantrages auch für das Jahr 1997 durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg wird in diesem Jahr die Aufbauarbeit fortgeführt werden können. Vollkommen ungeklärt freilich ist die Finanzierung derartiger hochschuldidaktischer Fortbildungsangebote ab 1998, nach Auslaufen des Bewilligungszeitraumes. Die Arbeitsgruppe Hochschuldidaktik der Universität hat die Universitätsleitung deshalb gebeten, nach Wegen für die Sicherung dieses Fortbildungsangebots zu suchen. Die Universität Tübingen wird unter den jetzigen Prämissen aber wahrscheinlich kaum in der Lage sein, die Finanzierung aus eigenen Kräften zu übernehmen und bittet daher zu prüfen, wieweit auch dann noch mit Fördermitteln für Maßnahmen zur Verbesserung der Lehre gerechnet werden kann. So würde das Hochschulsonderprogramm III des Bundes auch künftig die Schaffung eines Finanzierungsprogramms zur Verbesserung der Lehre auf Landesebene zulassen. Die Universität bittet das Land, auch künftig in die (eigentlich selbstverständliche) Fortbildung des eigenen Lehrpersonals an den Universitäten zu investieren.

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wit@uni-tuebingen.de(wit@uni-tuebingen.de) - Stand: 29. Januar 1997 Copyright